
Marco Kröger hält eine Drohne in die Luft. Und das mitten auf einer Wiese zwischen Lüdinghausen und Seppenrade. Der Jäger vom Coesfelder Hegering strahlt mit der Sonne um die Wette. Dann hebt das Flugobjekt im Mini-Format ab. Andreas Büker bedient die Steuerung. Doch eigentlich muss er gar nichts machen: Die Drohne fliegt völlig selbstständig.
Auf einem großen Fernsehbildschirm im Kofferraum von Marco Krügers Auto verfolgen die beiden Coesfelder sowie weitere Aktive der Kreisjägerschaft den Weg, den die Drohne zurücklegt. Und begutachten die Aufnahmen, die deren Wärmebildkamera schickt.


Das machen sie nicht aus Jux und Tollerei. Mit Drohnen samt Wärmebildkameras lassen sich schnell und zuverlässig Kitze und andere Wildtiere aufspüren, die sich im hohen Gras verstecken. Soll es gemäht werden, müssen Grundstückseigentümer sicherstellen, dass keine Lebewesen gefährdet sind. Darum bieten die Aktiven der Hegeringe aus dem Kreis Coesfeld das Absuchen von Flächen per Drohne an. Schließlich braucht es einen speziellen Führerschein, um solche technischen Apparate abheben lassen zu dürfen. Allerhand Jäger besitzen eine solche Erlaubnis.
Sie stellen im Gespräch mit der Redaktion fest: „Das Umdenken ist da. Immer mehr Leute melden sich bei uns.“ Um nur beispielhaft einige Zahlen zu nennen: 34 Kitze sind im vergangenen Jahr auf diese Weise allein in Ascheberg gerettet worden, in Billerbeck waren es 112 junge Rehe, zehn Hasen und neun Gelege.
Fürs Suchen müsse es möglichst kalt sein, erklären die Fachmänner. Deshalb würden sie stets früh morgens ausrücken. Schließlich reagieren die Wärmebildkameras der Drohnen auf alles Warme – und somit auch auf Tiere. Ist die Umgebung kühl, sind die Farbkontraste besser zu erkennen. Obwohl es an diesem Nachmittag längst ziemlich warm ist, versteckt Marco Kröger eine Flasche mit heißem Wasser im grünen Gras. Und siehe da: Auf dem Bildschirm erscheint das Objekt als heller weißer Punkt, als die Drohne drüber hinweg schwebt. Alles, was kälter ist, wird schwarz und grau dargestellt.
Wäre die Flasche ein Kitz, würden die Jäger es nun fangen und in eine spezielle Kiste sperren. Nur für die Zeit der Mahd. Danach lassen die Experten das Tier stets wieder fachgerecht frei. Weil der Nachwuchs der Rehe in den ersten zwei Wochen nicht flüchte, wenn Gefahr drohe, fielen Kitze Mähern leicht zum Opfer, erklären die Jäger. Umso wichtiger sei es, vorab zu checken, ob in den Wiesen und auf den Feldern Jungtiere hocken.
Denn das kann laut der Experten fatale Folgen haben – und zwar nicht nur für die getöteten Tiere: Wenn Kitze beim Mähen von den Messern erwischt und womöglich miteinsiliert werden, bildet sich ein Nervengift. Verfüttern Landwirte das Heu später an ihr Vieh, stirbt es. Stichwort: Botulismus. Ein Tipp, um das zu verhindern: „Immer von innen nach außen mähen“, unterstreichen die Fachleute. Dann könnten die Tiere flüchten.
Die Wiesen und Felder zuvor mit Hunden zu durchforsten und nach Kitzen Ausschau zu halten, könne ebenfalls hilfreich sein. Allerdings sei es reiner Zufall und schwierig, im hohen Gras junge Wildtiere zu finden, wissen die Jäger aus Erfahrung. Zumal die meisten von ihnen geruchslos seien und die Hunde sie deshalb nicht wittern könnten. Deshalb raten sie eindringlich zur Drohnen-Variante.
Zumal: Wer sich nicht bemüht, den Mähtod von Kitzen zu vermeiden, dem drohen Strafen. Es gibt bereits diverse Urteile – von Freispruch über Geldbußen von bis zu 10.000 Euro bis hin zu Freiheitsstrafen. In der Pflicht sind in erster Linie die Grundstückseigentümer, aber auch alle anderen Beteiligten können, je nach Vorfall, zur Verantwortung gezogen werden. Auch deshalb informieren die Jäger regelmäßig über das Thema sowie vor allem über die Möglichkeiten der Mähtod-Prävention.
Ende April/Anfang Mai beginnt die neue Saison für die Kitz-Retter-Teams der einzelnen Hegeringe. Doch ehe sie ihre Drohnen aufsteigen lassen, sei Telefonieren und Koordinieren angesagt, berichten die Männer. Immerhin sei es sowohl eine logistische als auch eine zeitliche Herausforderung, alle Anfragen abzuarbeiten. 2024 sind beispielsweise die Ascheberger Piloten rund 300 Hektar mit ihren Drohnen abgeflogen, in Billerbeck waren es 724 Hektar und in Coesfeld sogar 1200 Hektar. Nun sind die Jäger auf ihre diesjährigen Einsätze für den Tierschutz gespannt.
Zehn der insgesamt elf Hegeringe in der Kreisjägerschaft – dazu zählen Ascheberg, Billerbeck, Coesfeld, Dülmen, Herbern, Lüdinghausen-Seppenrade, Nordkirchen, Nottuln-Havixbeck, Olfen, Rosendahl und Senden – besitzen inzwischen zusammen 15 Drohnen.
Wer die Kitz-Suche mit Flugobjekten dieser Art den Experten überlassen möchte, findet die Kontaktdaten der für die jeweiligen Gemeinden und Städte zuständigen Ansprechpartner hier. In Herbern gibt es bislang kein eigenes Kitz-Retter-Team. Bei Bedarf und genug Kapazitäten kommen die Ehrenamtler aus den umliegenden Kommunen vorbei. Das Angebot ist kostenlos. Spenden sind wiederum erwünscht.